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Querverbund

Der (kommunalwirtschaftliche) Querverbund bezeichnet ein Organisationsprinzip der kommunalen Daseinsvorsorgeaufgaben: Leistungen wie Versorgung und Verkehr werden in einer Gesellschaft, in mehreren Gesellschaften oder in Eigenbetrieben gebündelt und erbracht. Ziel des Querverbundes ist, technische, organisatorische, finanzwirtschaftliche und steuerliche Synergien zu schaffen. Vor allem in der Kommunalwirtschaft ist der Querverbund ein bewährtes Organisationsprinzip. Um Synergien zu erzielen, werden unterschiedliche Versorgungsformen wie Strom, Fernwärme, Gas, Wasser, Bäder und öffentlicher Verkehr – einschließlich ruhender Verkehr und (Flug-)Häfen – zusammengefasst. Als Grundformen lassen sich die Bündelung aller Betriebszweige in einem Unternehmen (Einheitsbetriebe) sowie die Zusammenfassung mehrerer Gesellschaften mittels gesellschaftsrechtlicher Instrumente wie Beherrschungs- und Ergebnisführungsverträge unterscheiden (Konzern). Bei der ersten Variante erfolgt die Zusammenfassung der Sparten in einem Eigenbetrieb oder in einer Kapitalgesellschaft, bei der zweiten Variante in Form eines Unternehmensverbundes mehrerer rechtlich selbstständiger Kapitalgesellschaften. Weitere Gestaltungsvarianten sind möglich. Wegen der Bedeutung der Besteuerung wird das Organisationsprinzip oft verkürzend als steuerlicher Querverbund bezeichnet. Bei der gemeinsamen Leistungserbringung im Stadtwerkeverbund entstehen jedoch auch beachtliche betriebs- und finanzwirtschaftliche, technische und/oder ökologische Synergien, die den Verbundgedanken wesentlich mitbegründen. Zentrales Motiv für die Bündelung ist der steuerwirksame Ergebnisausgleich zwischen den Sparten. Gewinne können so zur Finanzierung defizitärer Bereiche ohne Steuerbelastung verwendet werden. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e. V. (VDV) schätzt das Volumen der für den Nahverkehr eingesetzten Versorgungsgewinne auf jährlich bis zu 1,3 Milliarden Euro. Wäre diese Summe mit Körperschafts-, Gewerbe- und gegebenenfalls Kapitalertragssteuer sowie Solidaritätszuschlag belastet, reduzierten sich die verfügbaren Mittel um die jeweils geltenden Ertragssteuersätze, bei der Gewerbesteuer zusätzlich in Abhängigkeit von den Hebesätzen vor Ort. Der Steuervorteil ist also Teil des genannten Finanzierungsvolumens, welches sonst entsprechend reduziert wäre. Zu beachten ist, dass ein steuerlicher Verlust im Bereich des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) nur zu einer Steuerersparnis in anderen Unternehmenssparten führen kann, wenn dort ein positives Einkommen vorhanden ist und die Ergebnisverrechnung im konkreten Fall steuerlich anerkannt wird. Aus diesem Grund führt in der Praxis häufig nur ein Teil des ÖPNV-Verlustes zu Steuerersparnissen. Der kommunalwirtschaftliche (steuerliche) Querverbund hat seit Jahrzehnten eine herausragende Bedeutung für die Finanzierung des Nahverkehrs, die ohne dieses Organisationsprinzip für die Kommunen so nicht darstellbar wäre. Schon in den 1930er-Jahren hat die Finanzverwaltung Kriterien für die steuerliche Anerkennung solcher Zusammenfassungen entwickelt, die vom Bundesfinanzhof (BFH) mehrfach bestätigt wurden. Maßgeblich war entweder die Gleichartigkeit der Betriebe, die enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung der Tätigkeiten oder dass alle Betriebe dem Gedanken „Versorgung der Bevölkerung“ untergeordnet waren. Mitte der 1990er-Jahre problematisierte der BFH verstärkt einen anderen Aspekt (Gerichtsbescheid I R 100/95 v. 11. Juni 1996): Ging er bisher der Frage nach, ob Zusammenfassungen als solche einen Gestaltungsmissbrauch darstellten, wandte er sich 1996 der Einkommensermittlung zu und prüfte einen steuerlichen Korrekturbedarf aufgrund verdeckter Gewinnausschüttung. Dieser Ansatz traf mit der Veröffentlichung des Urteils I R 32/06 zum Fall „Bedburg-Hau“ im Oktober 2007 erstmals unmittelbar den Querverbund. Zwar betraf der Sachverhalt eine eher ungewöhnliche Verbindung zwischen einer Grundstücks- und einer Bädergesellschaft. Doch das Urteil bedrohte alle klassischen Verbundfälle. Die Richter bestätigten die Zusammenfassung, nahmen jedoch der Gestaltung auf andere Weise den Steuervorteil. Sie stellten den steuerlichen Querverbund in Frage, indem sie in der Übernahme von Verlusten eines strukturell dauerdefizitären Betriebs durch eine andere Konzerngesellschaft eine verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafterin erkannten. Der Verzicht auf die Einforderung eines schuldrechtlichen Ausgleichs für die Übernahme defizitärer Aufgaben für den Gesellschafter komme einer Ausschüttung gleich, so das Gerichtsurteil. Durch eine außerbilanzielle Ergebniskorrektur entfiel der Verlust. Die für die Finanzierung defizitärer Daseinsvorsorgeaufgaben unverzichtbare Steuersynergie war ausgehebelt. Der VDV hat in seiner Politik stets die herausragende Bedeutung des Querverbundes für einen bezahlbaren kommunalen Nahverkehr betont. Ergebnis dieser Arbeit ist ein parteiübergreifender Grundkonsens. Im Dezember 2005 bezeichnete die Konferenz der Innenminister den Querverbund als „tragende Säule der öffentlichen Finanzierung einer leistungsfähigen kommunalen Daseinsvorsorge“. Auf diesen Konsens konnte nach dem Richterspruch aufgebaut werden. Die Finanzverwaltung reagierte und beschränkte die Anwendung des Urteils auf den Einzelfall. Bei der Suche nach einer rechtssicheren und konsensfähigen Lösung war die Vorgabe zu beachten, die Regelung auf den Status quo zu begrenzen und beihilferechtlichen Anforderungen zu genügen. Im Dialog mit der Verwaltung konnten die Verbände ihre Vorschläge erfolgreich einbringen. Mit dem Jahressteuergesetz 2009 wurde die bewährte Verwaltungspraxis gesetzlich verankert. Die Regeln für den steuerlichen Querverbund finden sich in den §§ 4, 8 und 15 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und gelten im Gewerbesteuergesetz entsprechend. § 4 Abs. 6 Satz 2 KStG definiert den Begriff Verkehrsbetriebe als „(…) Betriebe, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Gas, Elektrizität oder Wärme, dem öffentlichen Verkehr oder dem Hafenbetrieb dienen“. Gemäß § 8 Absatz 7 Satz 2 KStG setzt die steuerwirksame Ergebnisverrechnung neben dem grundsätzlichen Vorliegen der steuerlichen Zusammenfassungskriterien des § 4 KStG unter anderem voraus, dass ein Dauerverlustgeschäft vorliegt und die wirtschaftliche Betätigung ohne kostendeckendes Entgelt aus verkehrs-, umwelt-, sozial-, kultur-, bildungs- oder gesundheitspolitischen Gründen unterhalten wird. In mehreren Verwaltungsanweisungen werden die steuergesetzlichen Vorschriften vertiefend erläutert und interpretiert.

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